Multiple Sklerose – Diagnose
Wichtig für die Diagnosefindung ist die Anamnese als ersten Schritt. Die Sicherung erfolgt mittels neurologischer Tests. Dabei müssen in erster Linie andere Krankheiten mit ähnlichen Beschwerden ausgeschlossen werden.
Neurologische Untersuchungen
Die Funktion der Nervenbahn wird bestimmt, indem ein spezieller Nerv oder ein Sinnesorgan von außen angeregt wird, was ein Signal im Gehirn auslöst. Dieses wird weitergeleitet und ist mit Hilfe von Elektroden als evoziertes (hervorgerufenes) elektrisches Potenzial gemessen. Diese Reizantwort ist bei der MS-Erkrankung verzögert und deren Stärke vermindert.
Lhermitte Zeichen
Namensgeber war der französische Neurologe und Psychiater Jacques Jean Lhermitte. Bezeichnet werden auf diese Weise klinische Zeichen, die im Rahmen einer neurologischen Untersuchung zur Erkennung entzündlicher Prozesse im ZNS herangezogen werden. Bei der entsprechenden Untersuchung wird der Kopf vom Arzt nach vorn in Richtung Brust gebeugt. Verspürt der Patient schlagartig ein unangenehmes oder elektrisierendes Gefühl in den Extremitäten oder dem Rumpf, ein sogenanntes Nackenbeugezeichen, ist das ein Hinweis auf Multiple Sklerose. Es muss jedoch abgegrenzt werden, von den extrem starken Schmerzen und einer Nackensteifigkeit, die bei Meningitis auftreten. Ein positives Zeichen spricht für Entzündungen oder Tumoren im Rückenmark und kommt bei MS, aber auch bei ausgeprägten Spondylarthrosen vor.
VEP – Visuell evozierte Potentiale
Krankhafte Veränderungen des Sehnervs können über visuell evozierte Potenziale diagnostiziert werden. Der Patient wird visuellen Reizen ausgesetzt, wie einen flimmernden Monitor. Die über die Sehrinde abgeleiteten Signale werden als elektrische Spannungsänderungen mit Oberflächenelektroden am Kopf gemessen.
SEP – Somatosensorisch evozierte Potentiale
Die sensiblen Nerven an den Extremitäten werden mit einem niedrigen elektrischen Impuls gereizt. Über sehr dünne Elektroden in der Haut wird die Verarbeitung der Signale, z. B. im Rückenmark oder im Hirnstamm, entlang der langen sensorischen Bahnen, beurteilt.
AEP – Akustisch evozierte Potentiale
Mittels wiederholter Klicklaute wird die Hörbahn nur einer Seite gereizt und die Reaktion als elektrisches Signal oberhalb des Ohrknochens gemessen. Neben Hörstörungen und Leitungseinschränkungen innerhalb des Hirnstammes kann auch die Ursache von Gleichgewichtsstörungen ermittelt werden.
Blutuntersuchungen
Zurzeit gibt es noch keinen Blutparameter, der eine Multiple Sklerose beweist. Dennoch wird eine Reihe von Blutuntersuchungen durchgeführt, die das primäre Ziel haben, andere Krankheiten auszuschließen. Die standardgemäß bestimmten Werte für das Blutbild, die Nieren-und Leberparameter sowie die Entzündungsmarker sind bei MS im Normalbereich. Zusätzlich werden verschiedene Antikörper, als zirkulierende Immunkomplexe, bestimmt. Der Immunkomplexspiegel variiert bei MS und ist kein spezifisches Zeichen. Bei Krankheitsschüben kann er jedoch erhöht sein.
Liquor Diagnostik: Untersuchung des Nervenwassers
Der Liquor (Liquor cerebrospinalis), auch als Nervenwasser bezeichnet, ist eine im Rückenmark und im Gehirn vorkommende Flüssigkeit. Sie erfüllt Funktionen innerhalb des Stoffwechsels der Nervenzellen und dient als Schutz für das Gehirn. Um es für eine Untersuchung zu gewinnen, wird mit einer dünnen Nadel zwischen den zweiten und dem fünften Lendenwirbel punktiert (Lumbalpunktion) und das Nervenwasser entnommen. Bei MS können bei der Analyse des Liquors Entzündungen, bestimmte Abwehrzellen und Antikörper nachgewiesen werden.
Bildgebende Untersuchungen: EEG und MRT
Für die Messung der Nervenimpulse, z. B. als Antwort auf gezielt gesetzte Reize, wird die Elektroenzephalographie (EEG) eingesetzt. Charakteristische Änderungen zeigen sich bei einer MS als verzögerte Reaktion.
Ein weiteres Verfahren stellt die Magnetresonanztomografie (MRT, Kernspintomografie) dar. Mittels starker Magnetfelder, aber ohne den Einsatz von Röntgenstrahlen, werden Aufnahmen vom Gehirn angefertigt. Bei zirka 85 Prozent der Patienten werden bereits in einem sehr frühen Stadium Veränderungen durch die Entzündungen festgestellt. Später weisen nahezu alle Erkrankten Veränderungen auf.
McDonald-Kriterien
Angesichts der vielfältigen Verläufe fällt die eine eindeutige Diagnose oft schwer. 2001 wurden erstmals Kriterien festgelegt, die die Diagnose sichern oder ausschließen sollen. Bewertet werden die Anzahl der aufgetretenen Schübe, die nachgewiesenen Läsionen, auch unter Hinzuziehung von MRT-Befunden, Liquor Diagnostik und provozierter Potentiale aus neurologischen Untersuchungen. Bei bestimmten Befundskonstellationen wird die Diagnose Enzephalomyelitis disseminata angenommen. Grundsätzliches Ziel ist es, rasch und mit größter Genauigkeit die MS Diagnose zu sichern.